Dieses Blog durchsuchen

Gesamtzahl der Seitenaufrufe

Donnerstag, 4. November 2010

Tage im Juni - Kurzgeschichten der GE10 des Beruflichen Gymnasiums Eutin


Wir, die GE10 des Beruflichen Gymnasiums Eutin, 11. Jahrgang, haben zu Beginn unserer Schulzeit im Deutschunterricht Geschichten zu kleinen Problemen geschrieben, die zu großen werden können, wie Treue, Lüge, Freundschaft, Verletzungen, Unsicherheit usw. .Über diese Geschichten erfahren wir mehr voneinander. Wir haben über diese Texte und ihre sprachliche Gestaltung gesprochen und sie nun hier veröffentlicht.

Schreibt gern Eure Meinung zu einzelnen Beiträgen in die Kommentarspalte!
       Jennifer Wendt Wenige Meter
Die Sommernacht ist schwül, erst langsam vergeht die drückende Hitze, die tagsüber geherrscht hatte. Ich bin froh darüber, endlich Feierabend zu haben. Es ist echt eine Bestrafung bei diesen Temperaturen in einem Biergarten zu jobben und den halben Tag auf den Beinen zu sein. Die Freude auf eine kalte Dusche und einen schönen Liebesfilm lässt mich schmunzeln.
Im Schlosspark haben sich kleine Gruppen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen gebildet, sie genießen den Abend bei einem Bier und leiser Musik aus einem Ghettoblaster. Sie dringt an mein Ohr. Ich erkenne die letzten Takte Jack Johnsons „Knocking on heavens door“, wieder muss ich lächeln. Lieblich spiegelt sich das schwache Mondlicht in der glatten Wasseroberfläche. Es ist sternenklar. Meine Gedanken schweifen ab. Ich muss an den jungen Mann denken, der mich heute nach der Arbeit angesprochen hat. Er wollte wissen ob ich noch Lust hätte mit ihm irgendwo einen Happen zu essen. Freundlich habe ich ihn abblitzen lassen. Das ist nun wirklich nicht meine Art, mich von wildfremden Männern abschleppen zu lassen. Außerdem kommen Clara und ich ganz gut alleine zurecht. Clara, meine 2 jährige Chihuahuadame. Sie fehlt mir schrecklich. Jedes Mal, dass ich aus dem Haus gehe und sie alleine zurücklasse bricht es mir fast das Herz. Doch gleich bin ich ja wieder bei ihr. Nicht mal mehr fünf Minuten brauche ich bis nach Hause. Ich verlasse den Park. Mir kommt ein junges Paar entgegen, verliebt halten sie Händchen und küssen sich. „Wie süß“, denke ich verächtlich und beschleunige meinen Gang. So vertraut sahen mein Ex Freund und ich auch mal aus, bis zu jenem letzten Tag, an dem ich ihn mit meiner Chefin in Flagrante erwischt habe. Danach habe ich noch seine Sachen gepackt und ihn vor die Tür gesetzt. Nein, ich habe fürs Erste erst einmal genug von Männern.
Der Kiosk an der Ecke hat noch geöffnet, ich betrete den Laden. Mir schlägt ein abartiger Geruch von faulen Eiern entgegen. Augen zu und durch, was anderes hilft da nicht. Ich brauch schließlich dringend eine Schachtel Zigaretten und ein paar Leckerchen für Clara. Der Kassierer ist nett, ein junger Türke. Seinen Eltern gehört die Wohnung über meiner. Wir halten ein bisschen Smalltalk, bevor ich mich wieder auf den Weg mache. Ein flaues Gefühl macht sich in meiner Magengegend breit. Ich biege nach rechts ab, in eine unbeleuchtete Seitengasse. Es gefällt mir nicht hier durch zu gehen, doch es ist der kürzeste Weg. Leise summe ich ein Lied um mir Mut zu machen.
Ich bin noch nicht weit gekommen, plötzlich höre ich ein Geräusch hinter mir. Es ist das gleichmäßige Geräusch sich nähernder Schritte. Ein eisiger Schauer läuft mir über den Rücken, tausend Fragen schießen mir durch den Kopf. „Werde ich verfolgt? Wer ist es? Was will er?“ Ich werfe einen raschen Blick über die Schulter, ich kann nur einen Umriss erkennen, doch von der Statur her schließe ich, dass es sich um einen Mann handelt. Breit gebaut, muskulös, kräftig. Panik steigt in mir auf. Soll ich rennen oder stehen bleiben, irre ich mich oder werde ich tatsächlich verfolgt?
Ich verfalle in eine Art Laufschritt. Mein Atem geht schwer, und Angstschweiß steht mir auf der Stirn. Ich wage es nicht mich umzusehen, doch ich höre, wie auch der Mann hinter mir sein Tempo erhöht und langsam aufschließt. Ich beginne zu rennen, habe nur noch den einen Gedanken im Kopf „Ich muss ihn loswerden“. Doch ich bin nicht schnell genug. Ich schaffe es nicht. Ich merke ganz deutlich, dass er nur noch wenige Meter hinter mir ist und weiß, dass es kein Entkommen mehr für mich gibt. Ich öffne im Laufen meine Handtasche und wühle nach dem Pfefferspray. „Wo ist es, wo ist dieses Scheißding, wenn man es mal braucht“. Ich komme nicht dazu weiter darüber nach zu denken. Eine starke Männerhand packt mich an der Schulter und schleudert mich herum. Ich komme ins Schwanken und habe Mühe nicht zu fallen. Meine Tasche gleitet mir aus der Hand und der Inhalt verteilt sich auf der Straße. „Weglaufen ist zwecklos“ denke ich. Ich hebe meinen Kopf und schaue ihm direkt in die Augen. Er erwidert meinen Blick und lächelt mich schief an.

Finn Myrau Gewonnen und verloren

Gerade als Lehmann den Freistoß in den Strafraum schlägt und Fin Bartels sich zum Kopfball in die Höhe schraubt, klingelt mein Handy. Ich schaue kurz auf das Display Emily-. Schnell drücke ich das Gespräch weg und konzentriere mich wieder auf das Fußballspiel.
,,Bist du blöd, hast du etwa dein Handy noch an? Du musst wohl für deine Liebste immer erreichbar sein, schreit Toni mich an. ,,Kommt nicht wieder vor, erwidere ich schnell, um noch weiteren Diskussionen aus dem Weg zu gehen. Lucas dreht sich zu uns um: ,,Klappe! Habt ihre keine anderen Probleme, gerade jetzt zu strei.... TOR­TOR. Junge war das ein geiles Ding. Lewis stimmt den Fangesang an und wir fallen natürlich sofort mit ein. ,,1 : 0 für den FC.St.Pauli durch den Spieler mit der Nummer 23 Fin, ertönt es aus den Lautsprechern. Bartels, schreien die Fans und wir selbstverständlich auch. Wieder klingelt mein Handy. ,,Mach endlich dein Handy aus, meckert Toni. Erneut hole ich mein Handy aus der Tasche und schaue auf das Display. ,,Hey, wenn du heute wieder nichts mit mir unternimmst, ist es endgültig aus. Emily. Scheiße, immer das selbe Gejammer, denke ich. Jetzt reicht es mir, Emily wusste von Anfang an, dass meine Freunde wichtig für mich sind. Ich kann doch nicht jeden Tag nur das tun, was sie möchte, schließlich habe ich auch meine Bedürfnisse. Oh Gott, jetzt rede ich schon wie sie. Hoffentlich hat mich keiner gehört? Schnell drehe ich mich um, aber Toni, Lewis und Lucas schauen gebannt auf das Spielfeld. Alle 14 Tage möchte ich mit meinen Freunden Fußball gucken und unseren Club anfeuern, aber sie ist der Meinung, dass man in einer guten Beziehung alles gemeinsam macht. Was kann ich denn dafür, dass sie sich für Fußball nicht interessiert. Man kann sich doch nicht total verbiegen lassen. Wieder greife ich zu meinem Handy. ,,Dann ist Schluss. Mats. - SMS gesendet - erscheint auf meinem Display. Eigentlich fühle ich mich gut, richtig befreit. Jetzt kann ich mich endlich wieder auf das Spiel konzentrieren.
Ein weiter Abschlag von Kessler wird von Naki verlängert genau in den Lauf von Lehmann, der den Ball aus 20 Meter Entfernung in den rechten Torwinkel schießt. ,,TOR-TOR, schreie ich wie befreit. ,,2 : 0 für den FC.St.Pauli durch den Spieler mit der Nummer 20 Matthias, ertönt es wieder aus dem Lautsprecher. ,,Lehmann, schreit nicht nur die Fangemeinde, sondern auch wir.
Halbzeit. ,,Wer holt heute das Bier? fragt Lucas. ,,Ich glaube Mats ist an der Reihe! Strafe muss sein! Toni grinst mich an. ,,Ich gehe ja schon, erwidere ich. ,,Wer kommt mit? Lewis steht auf. ,,Komm ja schon!Als ich mich umdrehe, stoße ich fast mit einem Mädchen zusammen. ,,Entschuldigung, murmele ich und will mich vorbeiquetschen. ,,Willst du Bier holen? Gehört doch bei euch bestimmt dazu. Tolles Spiel, ich hätte nie gedacht, dass Fußball schauen soviel Spaß machen kann. Moment mal diese Stimme kommt mir doch bekannt vor. Ich schaue in die blauen Augen, in die ich mich damals gleich verliebt habe. ,,- Emily- Was machst du denn hier, aber deine SMS, stammele ich. ,,Wollte nur mal wissen, wie du reagierst, antwortet sie mit einem Lächeln im Gesicht. ,,Das Bier geht heute auf mich. Kommst du mit? 5 Bier auf einmal kann ich schlecht tragen. ,,Natürlich. Bleibst du noch zur 2.Halbzeit? Wird bestimmt noch spannend! ,,Natürlich, antwortet sie. Hoffentlich will sie nicht jedes Mal mit. Dann ist es aus mit unserem Männerclub, denke ich. ,,Du bist aber nicht enttäuscht, wenn ich nicht jedes Mal mit zum Fußball komme! Es ist ja auch wichtig etwas mit den Freunden zu unternehmen, redet Emily weiter auf mich ein. Habe ich etwa laut gedacht, oder kennt sie mich schon zu gut. Hoffentlich erwartet sie nicht von mir, dass ich sie zu ihrer Bauchtanzgruppe begleite.
Jan-Niklas Dohm Kastanienbäume

Wieder sehe ich ihn. Bei herab fallenden Herbstblättern stehtt er unter den Kastanien. Es ist sehr kalt. Außerdem dämmert es. Ich würde ihn zu gern ansprechen, aber wenn ich nicht pünktlich um acht zuhause bin, bekomme ich die ganze nächste Woche Hausarrest.
Wieder ein neuer total langweiliger Tag. Nur die Erinnerung an ihn lässt mich jeden Morgen von neuem die Kraft schöpfen, um den Weg zur Schule zu bestreiten.
In der Schule angekommen habe ich ihn wieder erspäht. Seine Vollkommenheit fesselt meinen Blick. Wie er sich bewegt, wie er lächelt und einfach alles.
Nun läuft mir auch noch die Olle aus der Para über den Weg. Ihr Rumgezicke und das arrogante Auftreten lassen einen von Tag zu Tag neue und schlimmere Folterideen kommen.
Oh, da kommt mein Reli-Lehrer. Mal freundlich sein, vielleicht ist er dann bei der Notenvergabe auch freundlich.
Wieder schweift mein Blick über das total heruntergekommene Gelände und sucht nur nach Ihm. Da ist er. Aber ... was ist das ?!?!?!?
Mein Leben ist zu Ende. Da sehe ich die Olle am Rumknutschen. Und das mit ihm! Wie kann er ihr die Küsse mir solcher Leidenschaft entgegenbringen? All unsere Blickkontakte, die himmlische Atmosphäre und erst die Leidenschaft, die wir aufgebaut hatten. Mein Herz ist gebrochen und mein Leben ist vorbei.
All die Kraft, die ich mit der Zeit durch ihn gewonnen habe, fällt einfach in mir zusammen. Am nächsten Morgen wache ich in meinem Bett auf. Wie bin ich hierher gekommen? Ich beschließe erstmal einen kleinen Spaziergang zum Erinnern zu machen. Total neben mir laufe ich durch die Gegend. Wie sehe ich die Kastanienbäume. Und die Erinnerungen kommen wieder hoch. Ich muss nur noch über die Straße laufen und schon bin ich zu Hause. Ein Blick nach rechts und ich sehe nur noch ein helles Licht.

Denise Rohbrecht: Sinnesunfall
Meine Tränen liefen kühl und salzig meine glühend schmerzenden Wangen hinunter. Ich fühlte mich eingesperrt in meinem Kopf, meinem Denken, meiner Seele und meinen Gefühlen. Sie ist weg, meine beste Freundin, sie ist weg, nach Hannover. Hat mich einfach allein gelassen, aber was hätte sie auch groß tun können, sie braucht schließlich diese Schule und wenn die nächstgelegene nun in Hannover ist.
Doch diese vernünftige Sicht der Dinge steht nicht über meinen Gefühlen, welche mich allein und leer in meinem Loch zurücklassen. Alles um mich herum verschwamm, wurde immer dunkler, bis ich nichts mehr wahr nahm.
Als ich morgens aufwachte, spürte ich die Nässe auf dem Kissen unter meinem Gesicht, ich musste lange und viel geweint haben, nun tat ich es zwar nicht mehr, doch besser fühlte ich mich trotzdem nicht, nur erschöpft.
„Konzentrier dich, du musst aufstehen“, dachte ich und schlurfte schweren Schrittes den Flur entlang. Die nächsten Tage kamen mir endlos lang vor. Obwohl die Sonne schien, sah ich alles durch einen Schleier, alles war grau, trostlos und öde.
Die Fahrten zur Schule, die Unterrichtsstunden, die Lehrer, meine Mutter, sogar Freunde und Mitschüler wirkten unbedeutend und gaben nur banales Zeug von sich.
Das gequälte Lächeln, das ich jedem Einzelnen zuwerfen musste und versicherte, dass es mir wirklich gut ging, es tat alles so weh, es war wie Säure, die sich durch mein Innerstes zu fressen versuchte. So vergingen einige Wochen, der Schmerz ließ nicht im geringsten nach, wie mir alle versichert hatten, ich gewöhnte mich nur langsam dran.
Meine sogenannte beste Freundin hatte sich in all dieser Zeit nicht einmal gemeldet, sie musste zwar eine komplette Wohnung einrichten und hatte zusätzlich einen total inkompetenten Verlobten an der Backe, jedoch ein Anruf, eine SMS...
Ich musste raus, irgendwie, irgendwohin. Schal, Schlüssel,...ich konnte mich nicht konzentrieren, lief einfach raus. Nun in der Kälte des frühen Abends bemerkte ich, dass ich meine Jacke vergessen hatte. Es war sehr kalt, es schmerzte, dennoch verspürte ich nicht den Drang, wieder hinein zu laufen, um mir meine Jacke zu holen, sondern lief einfach weiter. Ohne mich umzusehen, lief ich weiter in den dämmrigen Abend hinein. Es war mir egal wo ich ankommen würde, ich musste einfach weiter laufen ins Nichts.
Einfach weiter, weiter,weiter und immer weiter.
Plötzlich ein Schmerz. Es war unerwarteter Weise ein ziemlich heftiger, sich irgendwie gut anfühlender Schmerz. Ich lag auf einer Straße? Ja, der Asphalt unter mir er lag warm und sicher unter mir. Als wäre ich aus hundert Metern Höhe hinab gestürzt und er hätte mich gefangen, festgehalten damit ich nicht weiter fiel. Ich fühlte mich sicher und geborgen, konnte klar denken, klar sehen und alles fing wieder an Sinn zu ergeben. Neu zu leben.
Eine Hand, sie lag unsicher und zitternd auf meiner Schulter.
„Sch-sch-sch-schuldigung, soll ich Ihnen einen Krankenwagen rufen?“
Einen Krankenwagen? Nun erst ordnete ich den Schmerz der kompletten linken Seite meines Körpers zu.
Ich musste lachen. Der ausgestiegene Autofahrer starrte mich erst verwirrt, dann panisch an.
„Ich rufe Ihnen einen Krankenwagen!“, rief er.„Nein, nein, mir geht es gut. Ich danke Ihnen“, brachte ich mit Mühe hervor.
„Gucken Sie das nächste Mal, bevor Sie eine Straße überqueren.“
Ich war angefahren worden? „Öh, ja natürlich, es tut...“, doch der Autofahrer war schon wieder in sein Auto gestiegen. Er ließ den Motor an, ich stand auf und ging auf den Fußweg. Das Auto rauschte an mir vorbei und ich beobachtete wie der Autofahrer nicht noch einen einzigen Blick zurück warf und an mich verschwendete.
Ich musste erneut lachen. Moment, ich musste „lachen“? Seit Phie weg war, hatte ich nicht einmal ehrlich gelacht. Ich schaute mich um. Ein Vogel, der auf einem mit seinen letzten roten Blättern bestückten Baum sitzt, trillerte vor sich hin. Eine schwarze Katze sitzt auf dem Bürgersteig. Neben ihm auf der Straße, fuhren ab und zu ein paar Autos vorbei. Die Sonne schien mir ins Gesicht, ich spürte plötzlich wieder den Schmerz, der sich auf meiner linken Körperhälfte ausbreitete, außerdem hatte ich Kopfschmerzen, dazu die immer schlimmer werdende Kälte.
Phie war immer noch weg und hatte sich nicht gemeldet, das tat immer noch weh, jedoch war der Schmerz jetzt abgestumpft, er fühlte sich dumpf an und obwohl er da war und ich ihn spüren konnte, war es okay. Es ging mir gut und es durfte mir gut gehen. Lächelnd ging ich den Feldweg, über den ich hier her gelangt bin, wieder entlang zurück und genoss es.
Marcel Ramme: Eine unerwartete Nachricht
Es ist jetzt ungefähr drei Wochen her. Der Tag fing schon unmöglich an. Draußen goss es in Strömen, so dass die Straße wie ein reißender Fluss aussah. Ich, 19 Jahre alt, hatte verschlafen und war von daher sowieso nicht besonders gut gelaunt. Aber es sollte an diesem Tag noch schlimmer für mich kommen.
Zunächst aber einmal stürzte ich, im Eiltempo, ins Bad und wusch mich, zog mich danach an und hetzte dann die Treppe runter in die Küche. Ich griff mir schnell einen Apfel und knallte anschließend die Haustür hinter mir ins Schloss. Ich rannte, so schnell ich konnte, zur Bushaltestelle und erwischte den Bus gerade noch in letzter Minute. In aller Eile hatte ich das Unwetter draußen völlig vergessen und sah nun aus wie ein nasser Pudel. Das war mir aber in diesem Moment egal, die Hauptsache war, dass ich nicht zu spät zur Arbeit kam. Kaum dass ich, noch völlig außer Atem, im Bus saß, bekam ich eine SMS. Mühsam kramte ich mein Handy aus der Hosentasche und las die Nachricht. Das durfte doch wohl nicht wahr sein. Da stand doch tatsächlich: Ich mache Schluss! Nur diese drei Worte, sonst nichts. Keine Erklärung, warum sie Schluss machte, gar nichts. Ich las die Nachricht wieder und wieder und konnte mir keinen Reim daraus machen. Wieso machte meine Freundin plötzlich Schluss mit mir? Vor drei Tagen war doch noch alles in Ordnung gewesen. Wir waren bei Freunden und hatten dort einen gemütlichen Abend verbracht. Und jetzt das, ich konnte es einfach nicht verstehen. Ich hatte doch nicht etwa schon wieder eine wichtige Verabredung vergessen.
Plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Gestern war Dienstag. Ich war abends um 20.00 Uhr mit meiner Freundin verabredet. Wir wollten zunächst gemütlich essen gehen und anschließend in die Spätvorstellung ins Kino. Ich hatte diese Verabredung total vergessen, und dabei hatte ich mich noch am Morgen auf den Abend mit meiner Freundin gefreut. Dass meine Freundin sauer auf mich war, und das aus guten Grund, konnte ich jetzt nachvollziehen. Bestimmt hatte sie den Abend zuvor eine ganze Weile auf mich gewartet und ich hatte sie versetzt. Unverzüglich schrieb ich ihr eine SMS, in der ich sie um Entschuldigung bat. Doch meine Freundin antwortete mir nicht. Dann wählte ich ihre Handynummer wieder und wieder, um mit ihr persönlich zu sprechen, doch sie drückte mich immer wieder weg. Ich überlegte was ich machen könnte, damit sie mit mir spricht.
Kurzentschlossen stieg ich an der nächsten Haltestelle aus. Der Arbeitsplatz war mir in diesem Moment völlig egal. Ich beschloss an diesem Tag nicht zur Arbeit zu fahren, da mir meine Beziehung viel wichtiger war. Obwohl es noch in Strömen regnete, machte ich mich zu Fuß auf den Weg zu der Arbeitsstelle meiner Freundin. Sie arbeitete in einer Buchhandlung.
Triefend nass kam ich vor der Buchhandlung an. Ich blieb einen Moment vor dem Laden stehen, da ich noch nicht so recht wusste, was ich zu meiner Freundin sagen sollte. Schließ-lich war es nicht das erste Mal, dass ich sie versetzt hatte. Als ich das Geschäft betrat, konnte ich meine Freundin allerdings nirgendwo entdecken. Ich fragte nach ihr und es hieß, sie hätte an diesem Tag frei. Also machte ich mich auf den Weg zu ihr nach Hause. Als ich bei ihr ankam, waren meine Kleidung und auch meine Schuhe, von dem immer noch anhaltenden Regen, völlig durchgeweicht. Ich musste ein Dutzendmal mal klingeln, bis sie endlich die Tür öffnete.
Als sie mich so triefend nass vor sich stehen sah, musste sie lachen. Das war meine Chance.
Ich sah sie tiefbetrübt an und beschwor sie mir zu verzeihen. Ich versprach ihr hoch und heilig, dass ich sie nie wieder versetzen würde und mir alles sehr leid täte. Sie sollte mir nur noch ein allerletztes Mal eine Chance geben und ich würde ihr beweisen, dass ich mich ändern könnte.
Sarah: Vergessen

Da war er. In einer Kiste auf dem Dachboden. Schön längt vergessen, alt und staubig, sein Fell verklebt und ungewaschen.
Du sahst ihn dir genauer an. Er guckte dich so lieb an, strahlt mit seinem einen Knopfauge. Das andere hatte Larissa ihm damals rausgeschnitten. Du erinnerst dich noch genau. Es war ein schrecklicher Tag für dich, doch er strahlte weiterhin.
Er war für dich da. Immer . Immer ist er für dich da gewesen.
Damals, als Mama weinte. Du hast damals auch geweint, Larissa auch. Papa war fort.
Doch er war da für dich, er würde dich nie verlassen. Er hat dich getröstet. Niemand sonst hat dich getröstet ,nur er. Er brachte dich immer zum Lachen, behielt alle Geheimnisse für sich. Ihr beide ward einfach unzertrennlich.
Doch dann wurde alles anders. Dein Körper veränderte sich. Alles war verwirrend, so verwirrend und deine Gefühle spielten verrückt.
Du mochtest ihn auf einmal nicht mehr, er war dir peinlich. Sehr peinlich sogar.
Eigentlich wolltest du ihn damals entsorgen, doch das konntest du auch nicht.
Er kam in eine Kiste. Die Kiste kam auf den Dachboden. Du hast ihn im Stich gelassen, nach all dem was er für dich getan hat. Du sahst ihn an, dich überkam ein schlechtes Gewissen.
All die Jahre war es für dich da. Er war doch dein Freund und du packst ihn einfach auf den Dachboden? Blöde Kiste, warum habe sie überhaupt aufgemacht? Du legst ihn wieder hinein, schließt die Kiste und willst gehen.
Doch dann bliebst du stehen .Du dachtest über Klaus nach. 15 Jahre nachdem er gegangen war hat er sich wieder bei dir gemeldet. Er wollte wieder Kontakt zu dir und Larissa.
Nein, ich werde ihn nicht mehr im Stich lassen.
Du gehst zurück und holst ihn aus der alten, staubigen Kiste hinaus.
Er lächelte dich an. Du musstest auch lächeln, ach wie gut es sich anfühlte deinen besten Freund wiedergefunden zu haben. Du nahmst den kleinen Stoffbären in deine Arme. Du gingst mit ihm nach unten. Alles war wieder gut.
Lisa Hesse: Mädchenstimme
Für mich ist die Welt kunterbunt, so unglaublich viele Farben, es sieht beinahe so aus wie im Bilderbuch, so wunderschön und sonnenklar. Das kalte Wetter nehme ich vor Freunde gar nicht richtig wahr und hopse, wie an einem schönen Frühlingstag, durch die Straßen. Die Hälfte des Weges habe ich schon hinter mir gelassen, nur noch eine Stunde Zugfahren, dann habe ich mein Ziel fast erreicht.
Ich bin auf dem Weg zu ihm, zu Philipp, zu dem Menschen, den ich über alles liebe. Wir kennen uns jetzt schon länger und sind seit eineinhalb Jahren zusammen. Ich bin schon glücklich, wenn ich nur an ihn denke und das mache ich fast pausenlos. Wir sehen uns nicht mehr oft, seit drei Monaten, seitdem uns fast drei Stunden Fahrt voneinander trennen.
Doch nun habe ich es gleich geschafft. Der Zug ist voll, ich bekomme zum Glück noch einen der wenigen freien Plätze, stecke mir sofort meine Ipod-Kopfhörer in die Ohren und versinke in meinen Gedanken.
Ich schrecke auf, denn die Lautsprecheransage in vollster Lautstärke ertönt. Eine Frau beobachtet mich und grinst, ich denke mir nichts dabei, sondern nehme meine Sachen und verlasse den Zug.
Schon die ganze Zeit mache ich mir Gedanken, wie ich Philipp begrüßen soll. Soll ich ihm wie eine verrückte um den Hals fallen, ihn totknutschen oder ganz laut Überraschung brüllen, wenn er die Tür öffnet? Ich bin noch unentschlossen.
Der Weg kommt mir endlos lang vor, ich habe schon so viele Menschen gesehen, darunter die schrägsten Leute am Bahnhof und ich habe schon zig Ampeln überquert. Aber das alles scheint mir gleichgülig heute, denn ich warte nur sehnsüchtig auf diesen einen Moment.
Alles verändert sich schlagartig, ich erblicke die leicht gelbliche Eingangsfront seines Hauses, die braune Haustür... meine Hände werden feucht und mein Herz fängt an zu rasen. Ich gehe weiter, so unendlich aufgeregt, wackelig auf den Beinen, jedoch glücklich.
Ich klingele! Das kurze Warten kommt mir wie zehn Stunden vor... Die Tür bleibt geschlossen. Ist er nicht zu Hause? Ich werde panisch und unruhig. Ich klingele noch einmal, mir steigen Tränen in die Augen, denn mein Plan scheitert in diesem Moment. Ich rufe ihn an, das ist das Beste jetzt.
Tuut...tuut... „Hallo mein Sonnenschein“ die Begrüßung wie immer, doch heute etwas schwerfälliger. Ich höre andere Stimmen im Hintergrund, er ist nicht alleine! „Ich bin nicht zu Hause , sondern bei einem Kumpel“ sagt er und meine Laune trübte sich schlagartig. Wieder hörte ich Stimmen, ein Mädchen spricht...“Komm wieder her zu mir Philipp, telefonieren kannst du später!“ Ich stehe wie versteinert vor seiner Tür und Philipp sagt kein Wort.
Ich schmeiße mein Handy weg und breche in Tränen aus. Mein Leben macht plötzlich keinen Sinn mehr, ich kann den Gedanken nicht ertragen, hoffe, dass das alles ein Traum war, doch dies ist ein Irrtum, sowie das ewige Glück und die Liebe..

Jonas Löhmann: Lernen oder Nichtlernen?

Ich hab echt überhaupt keine Lust. Aber ich muss. Noch eine Fünf und ich kann das Spiel vergessen. Also los! Tu es! Setz dich einfach hin und lern den verdammten Ordner auswendig. Aber wieso sollte ich? Ist doch nicht wichtig. Ich meine, wozu brauch ich das? Ist doch Schwachsinn! Aber ist es nicht genau das, wovon ich glaubte, es unterscheide mich von solch Unwissenden? Ja genau das. Ich werde selbst zu dem, zu dem ich solch kritische Gedanken hege. Ach verdammt! Jetzt muss ich mich entscheiden. Soll ich lernen und die Drei schaffen oder lass ichs drauf ankommen und tu schöne Dinge. Aber irgendwann werden die schönen Dinge mich nicht mehr erfreuen, da sie normal werden und ich mich nicht mehr darauf freuen bzw. daraufhinarbeiten kann diese zu erreichen und schliesslich zu genießen. Aber andererseits ist ne Drei doch auch nur Durchschnitt. Höchstens! Wenn ich an so Spezies denke oder an diese verwahrlosten Haushalte, die man Nachmittags im TV bewundern darf, dann sollte mir die Wahl eigentlich nicht schwer fallen. Aber das kommt auch schon wieder überheblich und ansatzweise arrogant. Schluss damit! Was ist das überhaupt für´n Leben. Ich hab Null Disziplin. Ich sollte echt was tun. Obwohl. Ich hab mehr Freunde als Feinde, geh seit zehn Jahren zur Schule ohne auch nur einmal sitzen geblieben zu sein, treibe Sport und hab ne Freundin. Aber in zehn Jahren? Was bin ich in zehn Jahren? Ich hab noch nichts geschafft. Nichts, was mich von der Masse abhebt. Also ist es der Erfolg, den ich suche? Bin ich wirklich so materiell denkend geschaffen? Krass! Ja bin ich. Geld und Erfolg. So jetzt also Erfolg. Schulischer Erfolg ist also unweigerlich mein Schicksal. Schulischer Erfolg ist der Grundstein. Gott klingt das bescheuert. Ich kling schon wie meine Mutter. Naja, eigentlich wie alle klar denkenken ,verantwortungsbewussten Erwachsenen. Ich sollte Hausaufgaben machen. Das fühlt sich gut an. Der Gedanke an quadratische Funktionen ist zwar alles andere als reizvoll, aber es ist das Richtige. Ich will der Welt zeigen, dass ich will kann und werde. Ich werde erfolgreich, mich auf mein Leben konzentrieren und nie wieder Zeit damit verschwenden diese Aussagen anzuzweifeln. Ich werde es schaffen und mir selbst beweisen, dass ich in der Lage bin. Und anfangen werde ich mit ner Zwei in Geschi.
Maike Stephan: Aus und vorbei
Ich hatte ein schlechtes Gefühl dabei und ging den Flur entlang, nur ein paar andere Schüler waren schon da. Am Fahrradständer wollten wir uns treffen, so wie immer nach dem Unterricht, daran war nichts ungewöhnlich. Doch ich wurde dieses Gefühl einfach nicht los, dass es heute alles andere als gewöhnlich war. „Wir müssen reden“, hatte er gesagt. Wenn das mal kein schlechtes Omen war. So etwas wurde in diesen Nachmittags-Soaps nur gesagt, wenn etwas wirklich Tragisches folgte.
Ich schloss mein Fahrradschloss auf und da hörte ich es schon klingeln. Max war einer der Ersten, die sich durch die große Tür des Haupteinganges drängten. Er lächelte nicht wie sonst, als er auf mich zukam. Ohne ein Wort der Begrüßung schloss er das Schloss seines Fahrrades auf.
Ich sah an seinem Gesicht, dass es ihm schwer fiel, die richtigen Worte zu finden. „Laura ...“, sagte er kleinlaut. „Oh Gott!“, dachte ich, „er will Schluss machen!“ Ich schloss meine Hände fest um meinen Fahrradlenker, damit sie nicht zu zittern begannen. „Ich ...“, wollte er ansetzen, doch plötzlich gingen meine Emotionen mit mir durch: „Du willst tatsächlich Schluss machen?“ „Es ist nur so, ich habe mich in eine andere verliebt. Es tut mir wirklich leid“, versuchte er sich zu rechtfertigen. Meine Intuition hatte sich bestätigt.
„Wer ist sie?“, fragte ich mit zitternder Stimme. Es fiel mir schwer, nicht sofort los zu schluchzen. „Henriette und ich haben uns auf Sinas Party am Samstag geküsst. Es isteinfach so passiert“, entgegnete er.
Henriette? Mir fehlten die Worte. Mein Freund und meine beste, allerbeste Freundin? Das konnte einfach nicht wahr sein. Ich glaubte ihm kein Wort. Ohne Max weitere Beachtung zu schenken, schwang ich mich auf mein Fahrrad und raste los. „Was fällt diesem Mistkerl eigentlich ein?“, dachte ich.
Doch als ich Henriette dort wartend an der Laterne stehen sah, kamen mir plötzlich Zweifel. Was, wenn Henriette auch ihn liebte? Das könnte unsere Freundschaft nicht überleben. Was zu viel war, war zu viel. „Na, wie lief Englisch bei dir?“,begrüßte mich Henriette, als ich bei der Laterne ankam, an der wir uns jeden Tag nach dem Unterricht trafen. Ohne auf ihre Frage einzugehen, sagte ich einfach frei heraus: „Was läuft da zwischen dir und Max?“ „Oh, es tut mir so leid. Aber lass mich das erklären. Er hat mich geküsst und ich habe ihn weggestoßen, diesen Mistkerl. Ich meine, er ist mit dir zusammen. Selbst wenn ich mich in ihn verliebt hätte, hätte ich so etwas nie getan. Du bist meine beste Freundin, Laura.“ Henriette blieb stehen und wartete auf eine Antwort. Ich glaubte ihr. Wir hatten uns immer die Wahrheit erzählt, konnten uns das noch schmutzigste Geheimnis anvertrauen. Wollte ich das wirklich für einen daher gelaufenden Max zerstören?
„Ach Henri“, seufzte ich und ging weiter, „es war doch nicht dein Fehler. Ich vertraue dir. Nichts kann uns je auseinander bringen, nicht einmal solch Mistkerle, wie Max.“ Wir umarmten uns. „Und übrigens, Englisch lief gut.“
Sonja Huzik: Ein Sommerabend
Wie in Trance stand er da, den starren Blick eisern auf die Küste gerichtet. In seiner Hand hielt er eine langsam verglimmende Zigarette, deren Asche lautlos zu Boden fiel. Es dämmerte schon leicht, nur noch ein paar Sonnenstrahlen versperrten den Blick auf das klare blaue Meer und ließen Tim in einem schimmernd weißen Licht erscheinen. Sein Gesicht wirkte blass.
Laura saß auf einer Decke, ganz in ihr Buch vertieft. Sie ahnte nichts von der grausamen Nachricht, die Tim heute von seinem Arzt erfahren hatte.
„Sie werden diese Nacht höchstwahrscheinlich nicht mehr überleben“, das war das letzte, was Tim noch mitbekam. Er konnte es nicht glauben, konnte es nicht fassen. Sollte denn wirklich alles vorbei sein? Nie zuvor hatte er so ein Gefühl erlebt. Tim wünschte sich, er würde jetzt in seinem Bett liegen, aufwachen und feststellen, dass alles nur ein Traum ist. Doch es war die bittere Realität. Dennoch seine größte Sorge war nicht, dass er sterben würde. Nein, es war der daran, dass er seine über alles geliebte Laura einfach so im Stich lassen würde. Doch er musste es ihr sagen, denn es war ihr letzter gemeinsamer Abend.
„Laura, ich muss mit dir reden“, sagte er mit leiser rauer Stimme“. „Kann das denn nicht warten, ich bin gerade mitten im Lesen!“, antwortete Laura. „Nein, ich muss jetzt mit dir reden. Ich weiß gar nicht wie ich es dir sagen soll“, leise fing er an zu schluchzen, „Ich war heute Mittag nicht bei Freunden. Ich war beim Arzt“, er stockte kurz, sein Atem wurde immer schneller, es fiel ihm schwer überhaupt noch zu reden. „Die Werte sind da. Ich werde dich so vermissen!“
Ein langes Schweigen breitete sich aus. Keiner der beiden sagte nur ein Wort. Nach endlosen Minuten der Stille stand Laura auf. Sie bewegte sich langsam auf ihren Freund zu, der immer noch da stand.
„Tim, sag, dass das nicht wahr ist, bitte! Sag mir doch, dass das alles nicht wahr ist!“ „Doch!“ Mehr brauchte er nicht hervor. Verzweifelt fing Laura an zu weinen. Tränen rannen nun wie ein Fluss über ihr Gesicht. Tim schloss sie fest in seine Arme. So standen sie eine ganze Weile da. Beide hatten inzwischen aufgehört zu weinen und legten sich auf die Decke. Arm in Arm lagen sie da und nach Stunden völliger Stille flüsterte Laura leise: „Wir schlafen einfach nicht ein. Du darfst nur nicht einschlafen, dann wird alles wieder gut!“ Doch es blieb still, Tim antwortete nicht. Tränen stiegen Laura in ihre sonst leuchtend blauen Augen.
Tränen der Trauer, der Verzweiflung.
Jonas Schmidt: Mehr als eine Goldmedaille
Herbstferien, Montagmorgen. Mein Handy klingelt, ich gucke auf das Display, meine beste Freundin ist dran. Sie schreit ins Telefon :" Steh auf, in einer Stunde treffen wir uns am See, bald ist dein Wettkampf, du musst vorbereitet sein! " Voller Elan wasch ich mich, zieh mir meine Laufsachen an und bin sogar zehn Minuten eher da, um mich vorher noch ein bisschen zu dehnen. Freudig begrüßen wir uns. Wir wechseln ein paar Worte und dann gehtes los. Sie auf dem Fahrrad und ich muss joggen, ihr Tempo halten, alles, damit ich am Wochenende fit bin.
Ich bin dick eingepackt mit Schal und Handschuhen, denn der Wind ist eisigkalt und pfeift mir um die Ohren. Das Atmen fällt mir schwer und das einzige, was mich weiter laufen lässt, ist das schrille Geräusch ihrer Trillerpfeife. Mit jedem weiteren Schritt werden meine Beine schwerer und der salzige Geschmack der Erschöpfung machte sich in meinem Mund breit. Ich bin kurz vor dem Zusammenbrechen, aber ihre liebevolle Stimme, die mir zuruft " Gleich hast du es geschafft! " verleiht mir nochmal neue Energie und Kraft. Und dann gibt sie mir endlich ein Zeichen, dass ich fertig bin. Langsam rutsche ich zu Boden, meinen Rücken an eine Wand gelehnt, die Knie angewinkelt und der Kopf hängt nach unten. Während ich das Getränk von ihr entgegennehme, verrät sie mir, dass ich heute Bestzeit gelaufen bin und ich konnte trotz der Erschöpfnis noch ein Lächeln zeigen. "Mach dir keinen Kopf, du schaffst das " , spricht sie zu mir und ich schenke ihren Worten so viel Glauben, denn es liegt diese Hoffnung in ihrer Stimme. Mit keuchendem Atem krächze ich " Danke " heraus und sage :" Es wird kalt, lass uns gehen." Leider bemerke ich nicht, dass sich meine Kaputze des Pullovers an einem Gitter an dieser Wand verfängt und das ist auch der Grund, warum ich beim Aufstehen ausrutsche. Mein Knöchel knickt dabei um. Der Schmerz ist stechend heftig, ich schreie, als ich das Geräusch, das sich wie das Zerbrechen eines Bleistiftes anhört, wahrnehme.
Sie auf dem Fahrrad, ich auf ihrem Gepächträger fahren wir ins Krankenhaus. Ein Bruch, und das so kurz vor dem Wettkampf. Tränen kullern aus ihren Augen und sie schluchzt : "Alles war umsonst! "
Aber ich beruhige sie. Der Wettkampf sage ich ihr, ist mir gleichl. Denn der ganze Weg dahin mit ihr ist es, der mich glücklich macht und nicht ein Sieg eines Wettkampfes. Sie lächelt, nimmt mich in ihren Arm und ich flüstere in ihr Ohr : "Du bist mein größter Sieg. Deine Freundschaft. Du bist mehr als ein Stück Blech, du machst mich glücklich, und nicht eine Goldmedaille!" ..
Glitza: Discokugel auf High-Heels
Ich komme aus der Dusche und plötzlich ruft Mama: „ Mausi, deine Schnullerbacke ist am Telefon!“ Ich rollte die Augen. Es war Basti, mein Freund. „ Nicht der schon wieder“, dachte ich. Heute Abend sollte ich ja eigentlich zu ihm fahren, dann mit ihm gemeinsam die Disco besuchen und anschließend bei ihm übernachten. Aber eigentlich hatte ich gar keine Lust. Ich bequatschte kurz den Ablauf des Abends mit ihm und legte schnell auf. „ So.. jetzt schnell anziehen, Haare föhnen und dann Felix anrufen“, plapperte ich meinem Spiegelbild entgegen. Felix war mein bester Kumpel mit dem ich über alles und jeden reden konnte. Außerdem hatte er so himmelblaue Augen wie kein anderer Junge. Ich liebte es in sie hineinzuschauen. Ich rannte in Mamas schwarzem Bademantel aus dem klitschnassen Badezimmer, schnappte mir ein Telefon und flitzte in mein Zimmer, welches im Obergeschoss lag. Ich wählte seine Nummer und knallte die Tür zu. Er meldete sich mit seiner warmen tiefen Stimme , wie immer. Während des Telefonats starrte ich an meine geblümte Tapete und lauschte ihm aufmerksam. Zwischendurch versuchte ich mir ein paar Kleidungsstücke anzuziehen, denn viel Zeit blieb mir nicht mehr. Wir beschlossen nämlich, dass ich vorm Discobesuch noch zu ihm fahre um dort ein wenig vorzuglühen. Mittlerweile hatte ich schon Unterwäsche und Socken an. Mein Freund Basti hatte von Felix und meinem Vorhaben noch gar keine Ahnung. Ich entschloss mich für eine Absage per sms. Felix und ich beendeten unser Gespräch und dann musste ich mich auch beeilen. Ich zog mir schnell den Rest an, schnappte mir ein paar Kleider, schmiss sie in meine Tasche und machte mich auf den Weg zum Bahnhof. Ticket gelöst, alle Sachen dabei? Ich zählte im Kopf noch einmal meinen Tascheninhalt auf: „ Zahnbürste, Make-Up, Glätteeisen, Schmuck, Schuhe, Kleider… alles dabei.“ Es war so kalt draußen, dass ich meinen Atem sehen konnte. Als ich dann im Zug saß klingelte mein Handy. Sms von Basti. Er war nicht sehr begeistert von meinem Vorhaben und ich spürte die Eifersucht. „Na und?!“, dachte ich. Es war mir völlig egal. Ich hatte seit kurzer Zeit irgendwie nur noch Augen für Felix. Ich legte mein Handy weg und schon rollten wir in den hellerleuchteten Bahnhof. Da wartete er auch schon und wie immer holte er mich vom Bahnhof ab.
Viel Zeit hatten wir auch nicht. Wir gingen im schnellen Schritt zu ihm nachhause und ich machte mich fertig. Während dessen tranken wir ein bisschen Alkohol und lachten. Haare glatt, Kleid und Schuhe an verließ ich mit ihm das Haus. Ich musste aufpassen, dass ich auf meinen hohen Absätzen nicht ausrutschte, denn draußen lag weißer glitzernder Schnee. Die Schneeflocken waren so spitz wie Messerklingen und sahen so aus als könnten sie einen schneiden, wenn man sie berührte. Zudem eiskalt wie es im Februar üblich war. Ich hatte ein mulmiges Gefühl im Magen, denn ich ließ absichtlich meine Tasche bei Felix zu Hause liegen um nicht bei Basti schlafen zu müssen. Auf der Autofahrt zur Disco schrieb ich wieder unpersönlicher Weise eine sms an ihn, in der stand: „ Hey, ich schlafe heut nicht bei dir. Ich möchte nachher mit dir reden!“ Das „Ich liebe dich“ ersparte ich mir. Felix hielt die ganze Zeit meine kleine Hand. Dann stiegen wir aus. Draußen war es so dunkel und mir ging es ziemlich schlecht, wegen der Sache mit Basti. Meine Schuhe drückten und ich hatte Angst vor Basti, Angst davor mit ihm zu reden und in seine Augen zu schauen. Felix und ich standen mittlerweile schon in der Schlange und warteten darauf von den Türstehern hineingelassen zu werden. Ich starrte in die Gegend und mir rasten tausend Gedanken durch den Kopf… was ich ihm wohl sagen könnte, wo ich es ihm sagen könnte und vor allem wie. Inzwischen waren wir an der Kasse. Dann weiter zur Garderobe. Jacke abgelegt, dann ging ich rein und weiter auf die Tanzfläche mit gesenktem Kopf. Doch plötzlich starrten mich alle an. Ich reflektierte das gesamte Licht der Disco, da ich mein palliettenbesetztes Kleid angezogen hatte. Ich glitzerte von Kopf bis Fuß. Meine Laune steigerte sich. Ich lächelte. Felix war an meiner Seite, hielt meine Hand und die Sache mit Basti war erst mal vergessen. Mir ging ein Gedanke durch den Kopf, der mich zum Schmunzeln brachte: „ Wenn man mich an die Decke hängen würde, wäre ich eine Discokugel auf High-Heels !“ Felix machte mir schon die ganze zeit Komplimente, wie gut ich aussähe und dass ich ein bezauberndes Lächeln hätte. Ich war so glücklich und hatte Basti völlig verdrängt. Doch plötzlich sah ich ihn. Ich ging zu ihm und redete mit ihm. Wir setzten uns in einen Strandkorb, der in dem Raum stand, indem keine Musik lief. So konnten wir uns besser unterhalten. Ich brachte das Gespräch schnell hinter mich, denn schließlich wollte ich wieder zu Felix. Ich machte Schluss. Er fing an zu weinen. Es tat mir ja schon Leid, aber ich musste so schnell wie es ging zu Felix. Mein Bauch kribbelte ganz verrückt, so als wären unendlich viele Schmetterlinge darin. Als ich bei Felix war, gingen wir gemeinsam auf die Tanzfläche. Erleichterung Ich spürte Erleichterung. Wir tanzen eng. Es waren so viele Menschen um uns herum und die bunten Lichter erleuchteten die Disco. Plötzlich sprühte die Maschine Nebel auf die Menschenmenge. Ich konnte nichts mehr sehen, nur noch ihn. Er kam immer näher, so nah, dass sich unsere Lippen berührten. Wir küssten uns. Eng umschlungen standen wir da. Es war so unbeschreiblich schön. Ich war einfach nur überglücklich. Jetzt wurde mir alles klar. Ich war die ganze Zeit in meinen besten Freund verliebt und deshalb war ich so unglücklich mit Basti. Es war die richtige Entscheidung mich von ihm zu trennen.
Mein Herz sprang wie wild umher und ich empfand den Abend als den schönsten bis jetzt in meinem Leben. Felix und ich blieben noch eine Weile in der Disco. Später fuhren wir zu ihm, lagen dann im Bett und er küsste mich ein zweites Mal. Plötzlich begann er meine Discokugel vom Körper zu ziehen…
Monika Kronberger: Übel
Eine kleine Haarbürste, Kaugummis, leere Bonbonpapierchen, Kontoauszüge, Nagellack???… , ihr Personalausweis, Taschentücher, ein Portemonnaie, Probeparfumfläschchen, alte Einkaufslisten, Kassenzettel, …alles durcheinander ! Ach, wo hatte sie bloß den verdammten Schlüssel hingetan !? Beim Wühlen in der Handtasche fiel das grauweißgestreifte Feuerzeug zu Boden. “Lass liegen! Dafür hast du jetzt keine Zeit mehr… und du brauchst es auch nicht! Ist sowieso besser, dass du beschlossen hast, mit dem Rauchen aufzuhören, dass du auch schon so lang nicht mehr… Endlich!! “ Nervös drehte sie den Schlüssel im Haustürschloss um und tastete im halbdunklen Wohnungsflur mit zittrigen Händen nach dem Schalter. Hastig schaffte sie es noch rechtzeitig ans Flurende und stieß die Badezimmertür auf, warf alle Taschen von sich und knickte letztendlich vornübergebeugt wie eine Gebrochene vor der Toilettenschüssel ein. Sie atmete ein wenig schwer. Erst wenige Minuten später öffnete sie langsam die Augen. Vor sich das schwarze Loch. Der widerlich, beißende Geruch stieg ihr jetzt in die Nase. “Aufstehen!” zwang sie sich und langsam kam wieder Regung in sie “Nein, nicht wahr! Das Bild hängt doch gerade und das Fenster hat auch feste Verankerungen! oder…? Oh, oh. Ich müsste mich setzen.” Dennoch blieb sie stehen, denn ihr Blick blieb befangen an dem Bild dieser jungen Frau haften, deren kleine, müden Augen sie beinahe selbst durchschauen zu schienen und deren Wangen nicht mehr mit jugendlich, rosigem Schein glänzten. Sie versuchte sich vorzustellen, wie das fahle, weiße Gesicht an der Wand wohl aussehen würde, wenn es ein wenig runder wäre und sie versuchte krampfhaft in den schmalen, aufeinandergepressten Lippen ein wenigstens leichtes Lächeln zu erkennen. Vergebens. So langsam fing sie an, sich zu ärgern. “Wozu diese Lachfältchen an den Wangen? Sie passen nicht zu ihr! Überhaupt passt das Ganze nicht zusammen…” Die hochgesteckten Haare, aus denen einzelne gelöst waren, die blasse Haut, die durch den Kontrast zu den dunkelbraunen Schuhen, dem graublauem Rock und ebenso farbiger Bluse noch mehr auffiel… Die Figur war irgendwie ungewohnt unförmig und Sarina legte ihre Hand vorsichtig auf ihren eigenen Bauch. Sie nahm mit schauderndem Gefühl, die eigene Ähnlichkeit zu der Frau vor ihr, wohl war, doch sie war ihr fremd. Nachdem sie sie schon mehr als 21 Jahre tagtäglich immer wieder betrachtet hatte, ist sie ihr mittlerweile nicht mehr vertraut. Die Hand auf dem Bauch gelegt, konnte sie es ganz deutlich spüren… Sie hasste es. Oh, wie sie alles hasste; die viel zu kleine Wohnung, die Arbeitstage, an denen sie die Kunden mit ihrem getäuschten Lächeln bezaubern sollte, die Wochenenden, an denen sie ihre Freunde zur Zeit kaum sah, weil diese meist feierten, während sie sich zu schonen hatte, sich noch nicht einmal mehr traute, ihre Familie anzurufen. Sie hasste es; immer nur diese Vorwürfe. Ja, sie hätte es doch wissen müssen.
“Aber natürlich… ich hätte das bestimmt vorher gewusst. So wie die Leute im World Trade Center wussten, dass sie nicht mehr nach Hause kommen würden, oder gar ihre Familien und Freunde und sogar die Polizisten und Einsatzkräfte, die ihr Leben für andere gaben. Sie wussten es genauso, dass sie ihre geliebten Menschen durch einen Verlust enttäuschen werden! Daran will ich jetzt aber nicht denken! Ich will das sowieso alles nicht… Es hat ja keinen Sinn mehr!“ In ihr schmerzte alles. Der ganze Hass. Auf das Leben, die Liebe, den Tod. Es schmerzte so sehr, dass es ihr Übelkeit bereitete. “Ich hasse es, es tritt mich, es wird mir immer wehtun und selbst nach einigen Jahren wird es mir Kummer bereiten, wird mich immer an den Mann erinnern wollen, den ich über alles liebte, der mir aber nie mehr sagen wird, wie sehr er mich geliebt hat und dass er immer für mich da sein wird oder mich versteht, wenn ich selbst es nicht mehr tat. Wie kann etwas nur so unter meinem Herzen liegen. Es macht mich schwerer und zieht es hinunter.” Am schlimmsten war ja nicht der Hass oder die Übelkeit. Es war vielmehr die Angst davor, dass es überhaupt dazu kommt. Allein der Gedanke, sich eben wieder übergeben zu müssen, machte sie leicht panisch. Mit einem Seufzen und Stöhnen lehnte sie sich erschöpft an die Heizung, bis dass Telefon klingelte. Unfassbar.. Doch nicht jetzt !? Kannte sie die Nummer nicht irgendwoher? Wer rief denn noch so spät an? Sie war alleine zu Hause und das Telefon klingelte immer dringlicher “ Selina, bloß nicht die Fassung verlieren jetzt!” Nun gut, der Anrufbeantworter würde alles aufklären und als das Piepen aus dem Lautsprecher ertönte, hörte sie auch ein kurzes Knacken und Knistern. Sie wagte es nicht, sich zu regen… Es war ihr, als würde der Anrufer sie beobachten. Hatte sie die Tür eigentlich wieder zugemacht? Hatte sie nicht heute Morgen das Küchenfenster offen gelassen? Plötzlich brach die Verbindung ab. Atemstockend lauschte sie ihrem laut hämmerndem Pulsschlag. Ahnungs- und völlig hilflos starrte Selina auf den Flur hinaus, in die Richtung des Telefons. Neben der Frau an der Wand sah sie ihn plötzlich stehen. So klar und deutlich, als stünde er da, in Wahrheit, den Arm um sie gelegt, tröstend und zuversichtlich. Sogar die Wärme spürte sie in Echt an ihrem Körper. Das Bild wurde ihr immer schwammiger vor Augen, doch es fing an zu leben, als er ihr mit seinem immer noch völlig vertraut, sanftem Lächeln im Gesicht eine Träne von leicht rosig glänzenden Wangen strich. Dann das Letzte, was sie noch sah, bevor das Bild im Spiegel endgültig verschleiert wurde, war ein ehrliches, verträumtes Lächeln auf ihren Lippen. Plötzlich und zu ihrer eigenen Überraschung schmunzelte sie zum ersten Mal, als sie wieder einmal das Treten von kleinen Füßchen im Bauch spüren konnte.
Yvonne Hudtwalker : Kinder ja oder nein?
Es ist wieder so ein Morgen wo man einfach liegen bleiben möchte. Schlecht geschlafen und bei dem Gedanken daran, mit meiner Schwester und ihren zwei Kindern in den Park zu gehen, wird die Stimmung auch nicht gerade besser. Ich kann einfach nicht verstehen, wie sie gleich zwei dieser kleinen Teufel haben wollte. Früher wollte sie nie Kinder. Naja, nützt ja nichts, versprochen ist versprochen. Also los, schnell ins Bad und fertig machen, bin sowieso schon spät dran. Kaum aus dem Bad gekommen, klingelt es an der Tür. Oh nein, sie sind da! Ich öffne die Tür und Zack sind die beiden Kinder meiner Schwester schon in meiner Wohnung und plappern los. Man, kann ne Fahrt zum Park lang sein! - endlich angekommen. Es wolkenlos und der Himmel erstrahlt in einem klaren Hellblau. Im Park ist es bis auf einige Kinderstimmen ruhig. Die Sonne scheint und ich spüre, wie die Haut angenehm warm wird. Es riecht nach frisch gemähtem Gras und die Bienen summen. Vereinzelt hört man das Gezwitscher von Vögeln, die versteckt in den Baumkronen sitzen. Das Wetter ist einfach traumhaft und meine schlechte Laune verschwindet allmählich. Auf geht’s, eben die Decke auf der Rasenfläche ausbreiten und dann auf das Geschrei der Kleinen vorbereiten, auf ihr Quengeln, wenn ihnen langweilig wird sowie das ständige Rumgerenne. Okay, bloß den Augenblick nutzen und auf die Decke setzen, es wird ja noch anstrengend genug. Ich warte schon förmlich auf irgendetwas, dass meine gute Laune wieder zerstören könnte. Doch Die beiden Kleinen bleiben ruhig, nehmen sich den Ball und gehen etwas weiter weg um damit zuspielen. Sie spielen ganz allein. Kein lautes Kreischen, keine Streitereien. Einfach nichts. Die beiden sind ganz friedlich. Hab ich mich so getäuscht und Kinder sind doch nicht nur nervig und anstrengend? Vielleicht ist es schön Kinder zu haben?
Falsche Freunde
Dieser Tag war wie jeder andere auch: Danielle lief genervt aus dem Haus und schrie mit jugendlichem Leichtsinn :”Ihr könnt mir gar nichts sagen, ich bin 18 und kann machen was ich will!”. Dann lief sie bockig zu ihrem schicken Mercedes und setzte sich hin um sich abzureagieren, bis sie den Motor startete um in die Schule zu fahren. An diesem Morgen saß die fette schwarze Nachbarskatze im Weg, also hupte Danielle ein paar Mal um sie loszuwerden. Wie immer war sie völlig aufgetakelt und sah eigentlich eher aus, als würde sie auf eine Party wollen. Ihre pinke Cheerleaderuniform war kaum für die Schule geeignet, dennoch freute sie sich wie jeden Morgen auf ihre Freunde, vor allem aber auf ihren Freund Eric. Er war nicht irgendjemand, Eric - der heißeste Typ der ganzen Schule und von allen Mädchen begehrt. Und passend dazu war Danielle schon immer das angesagteste Mädchen der Schule: sie war reich, hatte ein umwerfendes Aussehen und alles, wovon jeder träumte. Noten, ihre Eltern oder ihr super langweiliger Bruder waren ihr nicht wichtig und somit kümmerte sie sich nur um sich selbst. Plötzlich fing es an zu regnen und Danielle drehte die Musik auf, da sie das ständige Platschen nervte. Während sie sich damit beschäftigte, ein paar neue Schritte für den Cheer zu finden, war es schon zu spät. Da war dieser schwarze Raabe und sie realisierte gar nicht, was sie da tat, als sie das Lenkrad herum riss und gegen den Baum raste.
Kalt, langweilig und ungemütlich beleuchtet.
In einem Krankenhaus kam sie zu sich, alleine in einem Einbettzimmer. Überall um sie herum standen merkwürdige Maschinen, einige davon an ihren Körper angeschlossen, doch das störte sie zu diesem Zeitpunkt nicht. Die Schmerztabletten wirkten noch und beruhigten sie somit. Was war passiert? Sie konnte sich einfach nicht erinnern. Was? Das war die einzige Frage, die sie beantwortet haben wollte.
Kurze Zeit später öffnete sich die Tür und eine sympathische Krankenschwester kam herein. „Oh mein Gott, Danielle, du bist wach! Wie geht’s dir? Ich werde deine Eltern anrufen, damit sie vorbei kommen.“ „Nein! Nicht meine Eltern, rufen sie meinen Freund an!“, schrie sie. „Was ist passiert? Wie lange habe ich geschlafen? Hier sind keine Blumen oder Geschenke, also vermute ich nicht all zu lange?“ Die Wirkung der Schmerztablette wurde weniger und Danielles Angst immer größer. Die Krankenschwester war ein wenig verwirrt, setzte sich an Danielles Bettkante und legte eine Hand auf ihre Schulter. Dann fing sie an ihr alles zu erklären:“ Es tut mir leid, Süße, du warst ganze 2 Wochen im Koma. Da waren auch keine Besucher außer deinen Eltern und deinem liebenswertem Bruder. Er hat dich jeden Tag direkt nach der Schule besucht und heute wird er auch wieder kommen. Du kannst echt froh sein, so eine tolle Familie zu haben.“ „Ich.. ich will wissen was passiert ist!“, platzte Danielle dazwischen. Die Krankenschwester antwortete jetzt mit ganz ruhiger Stimme: „Du hattest einen Autounfall, Süße. Du bist gegen einen Baum gefahren und hast dich stark verletzt. Da werden in Zukunft einige Veränderungen auf dich zukommen. Es ist so …“ „Danielle schrie los: „Was ist denn? Erzähl es mir, sofort!“ Danielle versuchte sich aufzusetzen, doch dann merkte sie dass etwas anders war. Sie riss die Bettdecke zur Seite und schrie: „Mein Bein!!! Was habt ihr mit meinem Bein gemacht? Wo ist es? Nein!!!“ Danielle war völlig fertig und rastete total aus, sodass die Krankenschwester Beruhigungsmittel zur Hilfe brauchte. Als sie sich wieder ein wenig beruhigte, bat sie den Arzt, sie einen Anruf machen zu lassen. Sie rief ihre beste Freundin an, die gleichzeitig 2. Teamleaderin im Cheerleeder-Team war. Sie erzählte ihr, dass sie im Krankenhaus ist und dass sie nicht auf einem Kurztrip in die Sonne verschwunden ist. Außerdem sagte sie ihr, dass sie sich wirklich freuen würde wenn sie sie besuchen würde. Ihre beste Freundin war sehr ruhig. „Es tut mir leid, Danielle, wir können keine Freundinnen mehr sein. Ich weiß, dass du dein Bein verloren hast, jeder weiß es, und es tut mir wirklich leid, aber ich komme damit nicht klar, ich glaube, du weißt selbst, dass du jetzt nicht mehr so angesagt bist wie früher! Und übrigens, Eric trifft sich jetzt mit Lucie. Er hat dich direkt nach dem Unfall verlassen, ich dachte, das würdest du vielleicht gerne wissen. Wie auch immer, ich muss los. Tschüss“. Danielle wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie war einfach nur geschockt. Warum war sie immer so nett zu allen, ihr ganzes Leben lang? Wieso hat sie immer die besten Klamotten getragen? Wieso hat sie all das ihr Leben lang getan? Sie hat es immer nur gemacht, damit alle sie mochten, und nun war das alles vorbei? Ihre Freunde waren einfach nur falsch und Danielle war jetzt auf sich alleine gestellt.
Die Zimmertür öffnete sich und ihr Bruder kam mit einem riesigen Strauß Blumen vorbei. Er guckte aufgeregt, aber Danielle konnte auch Angst in seinen Augen sehen. Danielle fing an zu weinen und flüsterte: „Danke!“. Er setzte sich zu ihr und hielt ihre Hand. Dann sagte er: „Ich bin immer für dich da, Nellie. Wir schaffen das zusammen!“. Ihre Eltern standen in der Tür und lächelten sie an. Sie hörte auf zu weinen und schaffte es ein kleines Lächeln heraus zu bekommen, zumindest für einen kleinen Moment.